Jesco von Kuczkowski, verheiratet, Vater einer Tochter, wurde 1976 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur folgten ein Jahr Zivildienst in Berlin und der Umzug nach Bielefeld, wo er Soziologie studierte. 2003 zog er nach Brackwede und begann eine Ausbildung zum Speditionskaufmann mit anschließender Fortbildung zum Staatlich Geprüften Betriebswirt. 2010 gründete er das Online-Lerninstitut „pinc-personal internet coaching“.
Seit der Kommunalwahl 2014 ist von Kuczkowski Mitglied der Bezirksvertretung Brackwede.
Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk Brackwede seit 2020.

QB: Herr von Kuczkowski, bei der Kommunalwahl im September 2020 hat die SPD im Stadtbezirk Brackwede mit einem Stimmenanteil von 22,75 % ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Die Fraktion hat sich auf vier Mandate fast halbiert. Was war nach Ihrer Ansicht ausschlaggebend für dieses schlechte Abschneiden und wie wollen Sie diese Scharte wieder auswetzen?

Von Kuczkowski: Das Wahlergebnis war für uns und für mich definitiv enttäuschend. Ich glaube, dass es mehrere Gründe gab. Trotz unserer Bollerwagentouren durch unseren Stadtbezirk, haben wir unser neues junges Team anscheinend nicht bekannt genug machen können. Aufgrund von Corona hatten wir uns richtigerweise entschieden, keine Hausbesuche zu machen. Das kollidierte mit unserem Generationswechsel.
Dass die Grünen ihre Sitze in der Bezirksvertretung verdoppelt haben, zeigt, dass auch uns der Bundes-Trend erreicht hatte und wir hauptsächlich Stimmen an die Grünen verloren haben.
Wir werden uns weiter bekannt machen und zeigen, dass wir mitten in unserer Gesellschaft stehen. So haben Feride Ciftci, Johanna Intrup-Dopheide und ich kleine Kinder und sind berufstätig. Wir kennen also einige Probleme auch selbst, oder können uns sehr gut in die Lage anderer versetzen.

QB: Nun ist es – durch Verbindung mit den Grünen und Linken – dann doch dazu gekommen, dass Sie zum Nachfolger von Regina Kopp-Herr als Bezirksbürgermeister gewählt wurden. Eine große Herausforderung bei der Popularität Ihrer Vorgängerin. Wie wollen Sie sich dieser Herausforderung stellen und was sind Ihre Visionen für die nächsten Jahre für den Stadtbezirk und die Ortsteile?

Von Kuczkowski: In der Tat ist Regina Kopp-Herr zu Recht sehr beliebt, und man wird immer gerne auf Ihre Amtszeiten zurückblicken. Aus meiner Sicht wäre es falsch und auch vermessen das Amt so ausüben zu wollen, wie sie es ausgeübt hat.
Ich muss das Amt auf meine Weise mit Leben füllen. Dabei hilft mir der immer wieder nette Kontakt mit den Menschen in Brackwede.
Zu einer Sache habe ich anscheinend schon beitragen können. Trotz des doch sehr hart geführten Kommunalwahlkampfes, wieder zu einer kollegialen und konstruktiven Zusammenarbeit in der Bezirksvertretung Brackwede zurückzukommen.
Bei allem, was ich an Brackwede liebe, finde ich schade, dass manche dazu neigen, nur negativ über unseren Stadtbezirk zu reden. Ich wünsche mir, dass wir uns nicht unter Wert verkaufen. Dazu gehört auch aufzupassen, dass Brackwede gegenüber anderen Stadtbezirken nicht benachteiligt wird. Auch hier sehe ich die neue Bezirksvertretung auf einem guten Weg. So haben wir es anscheinend geschafft, dass unter anderem unser Treppenplatz und unsere Treppenstraße überplant und danach neu gestaltet werden.
Quelle ist nicht nur in Brackwede, sondern in ganz Bielefeld ein sehr beliebter Ortsteil. Hier müssen wir aufpassen, dass kein unkontrollierter Zuwachs entsteht. Somit ist meine Vision für Quelle, dass der Ortsteil weiterhin so beliebt bleibt, ohne durch diese Beliebtheit an Attraktivität zu verlieren.
Für Ummeln habe ich die Vision, dass die Ortsumgehung möglichst schnell kommt und wir endlich das Ummelner Zentrum ohne die trennende Wirkung der B61 attraktiv und lebenswert gestalten können.
In Brackwede möchte ich, dass wir die Treppenstraße, den Treppenplatz und vielleicht auch den Kirchplatz zukunftsorientiert, mit hoher Aufenthaltsqualität, umgestalten.
Für Gesamt-Brackwede möchte ich, dass die Alternativen zum Autofahren attraktiver werden, damit die Brackwederinnen und Brackweder eine wirkliche Wahl haben, wie sie sich fortbewegen möchten.

QB: Konkret fehlen in Quelle heute weitere Kindergartenplätze und die Erweiterung der Queller Grundschule mit Ausweitung des offenen Ganztagsbereiches wird immer wieder diskutiert. Welche Pläne dazu sind Ihnen bekannt?

Von Kuczkowski: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kindergartenplätze weiterhin fehlen. Die Fachverwaltung ist ständig auf der Suche nach geeigneten Standorten für weitere KiTas.
Für Quelle gibt es erfreuliche Nachrichten für die Erweiterung der Queller Grundschule und zusätzliche Kindergartenplätze. Die Bezirksvertretung Brackwede und der Rat der Stadt Bielefeld haben dem Ankauf der neben der Grundschule liegenden Freifläche zugestimmt. Das war schon lange das Anliegen der Bezirksvertretung. Damit gibt es jetzt genug Platz für die Schulerweiterung und eine zusätzliche KiTa. Genaue Pläne wurden von der Verwaltung noch nicht vorgestellt.

QB: Die Erweiterung bestehender Temporeduzierungen auf Stadtstraßen ist auch im Queller Zentrum ein aktuelles Thema. Wie sehen Sie die Einführung durchgehender Tempo-30-Zonen?

Von Kuczkowski: Grundsätzlich glaube ich, dass viele Straßen einer Stadt auf Tempo 30 reduziert werden können. Natürlich muss man immer schauen, wie die Gegebenheiten vor Ort sind. Ganz klar unnütz ist es, wenn ein kurzes Stück 50 km/h zwischen zwei 30 km/h-Abschnitten gilt.
Zum Glück gibt es neben der Einrichtung von Tempo-30-Zonen auch die Möglichkeit, einfach Tempo 30 für eine Straße anzuordnen. Für Straßen, auf denen Busse fahren, hat das den Vorteil, dass die Straßen weiterhin vorfahrtsberechtigt bleiben können und die Busse nicht jedes Mal bremsen müssen, wenn ein Auto von rechts kommt.

QB: Herr von Kuczkowski, am Queller Gemeinschaftshaus wurden kürzlich Abstellmöglichkeiten für Fahrräder installiert. Ist das die einzige Baumaßnahme, die zur Erhaltung bzw. Optimierung des Gebäudes vorgesehen ist? Setzen Sie sich weiterhin für dessen Verbleib im städtischen Besitz ein? Sind in absehbarer Zeit Maßnahmen zur baulichen Sanierung geplant – z.B. ein behindertengerechter Zugang und bessere sanitäre Anlagen?

Von Kuczkowski: Die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder hat für mich nichts mit Maßnahmen zur Erhaltung oder Optimierung des Gemeinschaftshauses zu tun.
Ich bin nach wie vor klar dafür, dass das Gemeinschaftshaus im städtischen Besitz bleibt. Bislang habe ich keine Alternative hierzu gehört, die garantieren würde, dass die Quellerinnen und Queller dauerhaft das Gemeinschaftshaus nutzen können.
Einen behindertengerechten Zugang braucht das Gemeinschaftshaus unbedingt, auch eine Sanierung wäre gut. Die Möglichkeiten hierfür wird die Bezirksvertretung ausloten.

QB: Zwar wurde mit dem Fahrplanwechsel am 1. August eine verbesserte Anbindung im ÖPNV durch die Linie 22 für Quelle eingerichtet. Weitere Verbesserungen im ÖPNV sowie für Fußgänger und Radfahrer sollten, besonders angesichts der angestrebten Verkehrswende, folgen. Sind Ihnen hier weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeit des Ortsteils zum Zentrum und zum Stadtbezirk bekannt?

Von Kuczkowski: Die Bezirksvertretung Brackwede hat erreicht, dass die Linie 22 eine von wenigen vorgezogenen Maßnahmen des 3. Nahverkehrsplans zählt. Das trotzdem noch viel getan werden muss ist ganz klar. In dem Plan ist zusätzlich eine Taktverbesserung der Linie 121 vorgesehen.
Darüber hinaus ist geplant, den Brackweder Bahnhof zu einer Mobilitätsstation auszubauen. Die verschiedensten Verkehrsträger werden dort dann verbunden.
Große Hoffnung setze ich in das Modellprojekt „Anton“ von MoBiel. Das ist ein Bus auf Abruf, der zu bestimmten Haltestellen gerufen werden kann.
Interessant ist auch der Versuch mit einem selbstfahrenden Bus in Karlsruhe, der keine festen Haltestellen anfährt.

QB: In Quelle ausgewiesene Gewerbegebiete z.B. an der Eisenstraße, am Queller Bahnhof und an der Wiener Straße sind, wie in vielen Städten mit Wachstum, fast nur durch Wohngebiete zu erreichen, mit den bekannten Nachteilen für die Anwohner und den notwendigen Lieferverkehr.  Wie könnte nach Ihrer Meinung hier eine Lösung aussehen?

Von Kuczkowski: Bislang habe ich hierfür keinen Lösungsvorschlag. Dazu bedarf es der Beratung durch Experten. Aber auch die Leser*innen vom Queller Blatt können sich gerne mit Ideen an mich wenden.

QB: Wie können in Quelle weiterer Wohnungsbau und Rücksicht auf Natur und Umwelt vereinbart werden? Was ist im Regionalplan 2020 an Neubaugebieten vorgesehen?

Von Kuczkowski: Zum Glück gibt es hierzu schon viele Überlegungen. Neben den zwingend erforderlichen Stellungnahmen der Fachverwaltungen, wie z. B. das Umweltamt, müssen wir aufpassen, das Stadtklima nicht weiter zu verschlechtern.
Ein für mich schon länger sehr präsentes Stichwort ist „Schwammstadt“. Hierbei geht es darum, wie man baut und gestaltet, damit Städte möglichst viel Regen in kurzer Zeit aufnehmen können, wie eben ein Schwamm. Dazu zählen begrünte Dächer und möglichst geringe Versiegelung von Grundstücken.
Im Regionalplan stehen erstmal recht viele Flächen drin. Denn wenn eine Fläche dort nicht z. B. für Wohnbebauung vorgesehen ist, dann ist es schwer, die Fläche dafür nutzen zu können. Andersherum muss jede Fläche aus dem Regionalplan, die man nutzen möchte, alle rechtlichen Verfahren durchlaufen. Das heißt, dass dann auch Bürger*innen-Beteiligungen und auch das Einholen von Stellungnahmen der jeweiligen Fachverwaltungen stattfinden. Also auch vom Umweltamt.
Es ist also gut möglich, dass Flächen aus dem Regionalplan gar nicht genutzt werden. Das zeigt auch die Erfahrung mit vorherigen Regionalplänen.

QB: Unter Queller Bürger:innen wird seit Jahren der Wunsch nach einem Dorfplatz diskutiert. Wie könnte nach Ihrer Meinung dieser Wunsch unterstützt werden?

Von Kuczkowski: Ich würde mich dazu gerne mit den Menschen in Quelle austauschen. Grundsätzlich kann ich den Wunsch sehr gut verstehen, wüsste aber erstmal keine Fläche, die für einen „Dorfplatz“ geeignet wäre.
Beim ersten Queller Sommer hat mir gefallen, es auf der gesperrten Carl-Severing-Straße stattfinden zu lassen. Dort hatte man bestimmt auch mehr Platz zur Verfügung als auf einem „Dorfplatz“.
Aber wie gesagt, es macht immer Sinn sich mit den Menschen vor Ort zu unterhalten.

QB: Herr von Kuczkowski, wir danken Ihnen für Ihre Stellungnahmen und wünschen Ihnen persönlich viel Glück und Gesundheit und für die Erfüllung Ihrer Aufgaben als Bezirksbürgermeister Erfolg und gutes Gelingen.

Die Fragen stellten Horst-Hermann Lümkemann und Horst Brück