Vincenzo Copertino, Jahrgang 1969, wuchs im Märkischen Kreis auf. Seine Eltern waren 1963 als Gastarbeiter aus Süditalien nach Deutschland gekommen. Nach Schulabschluss und Jura-Studium an der Universität Bielefeld ist er als Rechtsanwalt in Bielefeld tätig. Vincenzo Copertino ist Mitglied der CDU Brackwede und dort stellvertretender Vorsitzender. Für den Kreisverband Bielefeld der CDU ist er als Pressesprecher tätig. Seit 2012 ist er Mitglied der Bezirksvertretung Brackwede, seit 2020 stellvertretender Bezirksbürgermeister. Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld ist er seit 2014 und – neben anderen Ausschüssen – seit 2020 als Sprecher des Sozial- und Gesundheitsausschusses tätig. Vincenzo Copertino wohnt in Brackwede.

QB: Herr Copertino, bei der Kommunalwahl im September 2020 konnte die CDU im Stadtbezirk Brackwede alle Direktmandate für die Bezirksvertretung und den Rat der Stadt Bielefeld erringen, sie wurde sowohl im Rat als auch in der Bezirksvertretung stärkste Fraktion. Ein großer Erfolg, ohne Zweifel, warum aber hat es trotzdem nicht mit dem Amt des Bezirksbürgermeisters für die CDU geklappt, denn dafür waren Sie ja angetreten?

Copertino: Im Gegensatz zum Oberbürgermeister wird der Bezirksbürgermeister aus der Mitte der Bezirksvertretung gewählt. Die SPD hat zwar nahezu 16 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Kommunalwahl verloren und nunmehr nur noch vier Sitze. Die CDU hat Stimmen hinzugewonnen und stellt in der Bezirksvertretung Brackwede sechs Sitze. Bündnis 90/Die Grünen weisen vier Sitze auf. Die FDP und die Partei Die Linke haben jeweils einen Sitz. Eigentlich sollte es Brauch sein, dass die stärkste Fraktion den Bezirksbürgermeister stellt. Es hat sich aber eine Mehrheit, bestehend aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wieder zusammengefunden, die neun von siebzehn Stimmen aufweist. Die CDU und ich haben uns eine andere Form der Zusammenarbeit gewünscht und dafür geworben. Leider hat es hierfür nicht gereicht.

QB: Die Parteienlandschaft ist ja nach der Wahl, besonders im Rat der Stadt, weiter aufgespalten. Was sind Ihre Vorstellungen für die Zukunft unserer Stadt, und wie sehen Sie die Möglichkeiten, diese einzubringen und durchzusetzen?

Copertino: Bielefeld braucht bessere Perspektiven. Ich kann hier nur ein paar wichtige Themen exemplarisch benennen. Wir müssen zum Beispiel die Rahmenbedingungen für Wirtschaft, Handel und Handwerk weiter verbessern und den Wirtschaftsstandort an die zukünftigen Herausforderungen anpassen. Die CDU möchte Bielefeld zu einer Wissenschafts- und  Hochtechnologiestadt ausbauen. Wir brauchen Forschungsinstitute wie das Max-Planck-Institut oder die Frauenhofer-Gesellschaft in unserer Stadt. Es müssen kurzfristig zusätzliche Flächen für die Ansiedlung von Ausgründungen und „Start-Ups“ bereitgestellt werden. Die Gesundheitsversorgung in Bielefeld muss sichergestellt und verbessert werden. Wir brauchen genügend Ärztinnen und Ärzte, die als Allgemeinmediziner oder Fachärzte in niedergelassenen Praxen oder Kliniken tätig werden. Die Region OWL verliert jedes Jahr im Schnitt 170 Ärzte, die ersetzt werden müssen. Hier gilt es, dem entgegenzuwirken. Die gefühlte Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger muss gesteigert werden. Für gute Politik ist der intensive Austausch unterschiedlicher Argumente unerlässlich. Es gilt, durch gute Sachpolitik entsprechende Initiativen, Anträge und Anfragen einzubringen und diese mit guten Sachargumenten zu unterfüttern. Dabei kann es denknotwendig nicht immer dazu kommen, dass unsere Anträge immer Mehrheiten finden. Nichtsdestotrotz haben in der jüngeren Vergangenheit auch von uns eingebrachte Initiativen Mehrheiten gefunden oder zu Kompromissen geführt.

QB: Gerade in der Bezirksvertretung ist es in der Vergangenheit ja häufig zu gemeinsamen Entscheidungen gekommen, zum Wohle der Bürger Brackwedes. Haben Sie Hoffnung, dass sich das für die vor uns liegende Legislaturperiode wird fortsetzen lassen?

Copertino: Es ist richtig, dass die Mehrzahl der getroffenen Beschlüsse in der Bezirksvertretung einhellig getroffen wurden. Dies wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter so sein. Nichtsdestotrotz wird es hinsichtlich verschiedener Punkte und Projekte Differenzen geben. Dabei denke ich u. a. an die Ausweisung neuer Gewerbegebiete zur Erweiterung und Ansiedlung von Unternehmen, die Innovations- und Zukunftsfähigkeit sichert. Es wird sich zeigen, welche Mehrheiten sich dabei finden werden.

QB: Dass durch die Wahl von zwei AfD-Ratsmitgliedern die Stimmung gereizter würde, war zu erwarten, und erste Erfahrungen bestätigen es. Wie glauben Sie, kann man dem am besten begegnen?

Copertino: Es gilt in erster Linie, sich nicht durch Anfragen und Beiträge dieser Partei provozieren zu lassen. Man sollte Einlassungen, die sich zwischen Populismus und Verschwörungstheorien bewegen, entweder ignorieren oder wenn notwendig, möglichst kurz und vor allem sachlich begegnen. Keinesfalls sollte es eine Art Empörungswettbewerb geben. Dies würde dieser Partei zu viel Aufmerksamkeit schenken.

QB: Herr Copertino, der Ortsteil Quelle gehört zu den in letzter Zeit am stärksten gewachsenen, weitere Baugebiete sind zu erwarten. Kommt da die Infrastruktur hinsichtlich Schulen, KiTas und Personennahverkehr nicht an ihre Grenzen, und wie wollen Sie dem begegnen?

Copertino: Es versteht sich von selbst, dass diesbezüglich eine Verpflichtung durch die Bezirksvertretung und den Rat besteht, dem Rechnung zu tragen. Es ist einhellige Meinung, dass KiTa-Plätze und die Anzahl der Schulklassen entsprechend angepasst werden müssen. Im Hinblick auf den Personennahverkehr gilt das Gleiche, wobei wir hier mit MoBiel im Kontakt stehen und auf einem sehr guten Weg sind.

QB: Es gibt mehrere Gruppen in Quelle, die sich für ein Tempolimit 30 auf der Carl-Severing-Straße einsetzen, z. B. zwischen den Kreiseln am Combi und der Marienfelder-Straße. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Copertino: Es hat diesbezüglich Prüfaufträge an die Verwaltung gegeben. Die Prüfaufträge haben ergeben, dass an den besagten Stellen keine Reduzierung der derzeit geltenden Geschwindigkeitsregelung erforderlich ist. An diesen Stellen regelt sich im Übrigen ohnehin die Geschwindigkeit infolge der dort bestehenden Kreisverkehre und Querungshilfen.

QB: Das Queller Gemeinschaftshaus, von vielen Vereinen und auch der Tafel regelmäßig genutzt, stand ja immer wieder einmal zur Disposition, auch weil ein barrierefreier Umbau nötig wird (das gilt auch für das „rote Amt“ in Brackwede). Wie ist Ihre bzw. die Meinung der CDU-Fraktion zu diesem Problem?

Copertino: Es besteht im Hinblick auf das Queller Gemeinschaftshaus ein ganz offensichtlicher Renovierungsstau, insbesondere weil der barrierefreie Zugang nicht gewährleistet ist. Hierbei wäre ein kostenintensiver Umbau erforderlich. Wir haben die Verwaltung mit der Prüfung von Lösungsmöglichkeiten beauftragt. Ein Zeitplan für etwaige Umbaumaßnahmen oder andere Lösungen wurden bisher nicht vorgelegt. Für uns ist auch im Falle eines etwaigen Neubaus sehr wichtig, dass gewährleistet ist, dass Gemeinschaftsräume, wie sie auch derzeit für die Queller Bürgerinnen und Bürger und Vereine vorhanden sind, weiter in der bisherigen Größe und Form zur Verfügung gestellt werden.

QB: Herr Copertino, herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview, dass auf digitalem Wege stattfand. Das Queller Blatt wünscht Ihnen alles Gute für die Zukunft und die Arbeit in Stadtrat und Bezirksvertretung.